Hier der vollständige Wortlaut des Briefes:
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Vorsitzenden Sigmar Gabriel
-persönlich-
Wilhelmstraße 141
10963 Berlin
Spremberg, den 14. April 2015
Lieber Sigmar,
die Mitglieder des Lausitzer SPD Ortsvereins Spremberg haben die im Eckpunktepapier „Strommarkt“ vorgesehenen Maßnahmen der Bundesregierung zur CO2-Minderung des Stromsektors mit großer Besorgnis zur Kenntnis nehmen müssen.
Europa, aber insbesondere Deutschland leisteten seit 1990 einen im weltweiten Vergleich, herausragenden Beitrag zur Minderung des CO2-Ausstoßes. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, im Jahr 2020 gegenüber 1990 40% der CO2-Emissionen einzusparen. Damit nimmt Deutschland eine Vorreiter Rolle in Europa und der Welt ein. Diese Ziele begrüßen wir.
Die Bundesregierung hat, um dieses Ziel zu erreichen, am 03.12.2014 beschlossen, dass alle Sektoren einen zusätzlichen Minderungsbeitrag erbringen. Unter besonderer Berücksichtigung des Stromsektors und des Zertifikatehandels sollen weitere 22 Mio. Tonnen erbracht werden.
Mit Realisierung des Eckpunktepapiers müssen die braunkohleverstromenden Energieerzeuger diesen zusätzlichen Beitrag fast allein erbringen.
Da das Lausitzer Revier ca. 30% der aus Braunkohle erzeugten Energie produziert, haben diese Pläne gravierende Auswirkungen für uns.
Das ist für uns als Lausitzer Sozialdemokraten nicht hinnehmbar,
weil die absehbaren Folgen dieser einseitigen Belastung für die Wertschöpfung und die Menschen in der Lausitz dramatisch sind!
In der Folge werden bereits ab 2017 die Lausitzer Braunkohlekraftwerkskapazitäten halbiert, weil Kraftwerke stillgelegt werden, 10 bzw. 15 Jahre früher als derzeit vorgesehen. Damit wird bereits 2017 die ökonomische Grundlage der bis 2050 ausgelegten Braunkohleplanverfahren (Welzow II und Nochten II) in Brandenburg und Sachsen zerstört. Die noch existierenden Kraftwerke in Schwarze Pumpe und Boxberg werden nach 20 Jahren Betriebsdauer, durch die dann sinkenden Emissionsfreibeträge und den damit verbundenen zusätzlichen Kosten, durch den notwendigen Kauf von ETS-Zertifikaten, unwirtschaftlich und in der Folge ebenfalls stillgelegt.
Damit wird bereits 2025, in 10 Jahren(!), die Kohleförderung im Lausitzer Revier enden. 8.000 direkte und nochmal 16.000 indirekte Arbeitsplätze werden verloren gehen. Die derzeitige Grundlage für die wirtschaftliche Wertschöpfung einer ganzen Region existiert nicht mehr.
Die Lausitz befindet sich seit 1990 in einem kontinuierlichen Strukturwandel. Die heute existierenden wirtschaftlichen Grundlagen dieser Region basieren größtenteils auf einer Wertschöpfung aus heimischer Braunkohle.
Den Menschen in der Lausitz ist bewusst, dass die Braunkohleverstromung eine Brückentechnologie in das Zeitalter der erneuerbaren Energien ist. Deshalb wird kontinuierlich weiter am Strukturwandel in der Lausitz gearbeitet, um in den noch verbleibenden Jahren die abnehmende Wertschöpfung aus Braunkohle, durch alternative Quellen größtmöglich zu kompensieren.
Ein erzwungener, früherer Ausstieg aus der heute bestehenden Wertschöpfung würde die Lausitz zu früh und unvorbereitet treffen und dramatische Auswirkungen haben !
Wir begrüßen den jetzt durch Dich eingeleiteten Gesprächsprozess mit den Ländern und den Gewerkschaften zur Findung eines allseits verträglichen Kompromisses und sind uns der Tatsache bewusst, dass auch das Lausitzer Revier einen Beitrag zur Erreichung der CO2 Ziele leisten muss und leisten wird.
Deshalb fordern wir Spremberger Sozialdemokraten:
1. Die Last der angestrebten zusätzlichen CO2-Einsparung von 22 Mio. Tonnen bis 2020, adäquat auf alle CO2 emittierenden Stromerzeuger zu verteilen und somit eine einseitige Belastung der braunkohlestromerzeugenden Kraftwerke unterbleibt. Wir erwarten von Dir, dass Du Dich für eine adäquate Verteilung der Last auf alle CO2 emittierenden Energieerzeuger einsetzt.
2. Basierend auf den derzeit gültigen landesplanerischen Rahmenbedingungen in Sachsen und Brandenburg, mit den genehmigten Tagebaufelder Nochten II und Welzow II, ein klares verbindliches Bekenntnis der Bundesregierung zur Braunkohleverstromung als Brückentechnologie bis 2050, mindestens bis 2030 abgegeben wird.
Die Wertschöpfung aus Braunkohleverstromung ist unser Rückgrat, um den Kraftakt des weiteren Strukturwandels in der Lausitz überhaupt stemmen zu können. Bis dahin müssen alle Maßnahmen unterbleiben, die politisch auf die Unwirtschaftlichkeit und damit die Beseitigung der Braunkohle abzielen. Es muss Schluss sein mit Unsicherheit, Abwarten und Hoffen bei den Menschen unserer Region.
3. Um die Zukunftsfähigkeit und Umweltverträglichkeit der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen zu gewährleisten, fordern wir die Reformierung des CCS Gesetzes. Um eine in der Lausitz entwickelte, international beachtete und gefragte Technologie zur Anwendung zu bringen, die eine CO2-arme Verstromung fossiler Energieträger ermöglicht. Mit der Schaffung eines neuen CCS Gesetzes, muss die Realisierung in nationaler Hand liegen und darf nicht den Bundesländern überlassen bleiben.
4. Wir fordern von der Bundesregierung und den Landesregierungen Brandenburgs und Sachsens sowie der Wirtschaft, verstärkte Bemühungen für einen weiteren Strukturwandel mit der Braunkohle als mittelfristige Wertschöpfungsquelle in der Lausitz. Dazu braucht es umgehend ein bundespolitisch flankiertes, länderübergreifendes wissenschafts-, wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisches Konzept für das gesamte Lausitzer Revier. Es braucht umgehend die notwendigen Ressourcen für eine erfolgreiche Umsetzung.
Lieber Sigmar,
wir erinnern uns sehr wohl an Dein Bekenntnis zur Lausitzer Braunkohle, dass Du einerseits bei uns in Spremberg zum Neujahrsempfang 2011, aber auch im Wahlkampf 2013 gegeben hast. Das haben Dir die Menschen dieser Region damals hoch angerechnet, aber auch bis heute nicht vergessen. Mit dem Eckpunktepapier aus Deinem Ministerium fühlen sich die Menschen zutiefst enttäuscht und verunsichert.
Deine und unsere Glaubwürdigkeit als Sozialdemokraten sind damit in Frage gestellt.
Die klare Haltung von Dietmar Woidke zur Lausitzer Braunkohle hat gerade bei der Landtagswahl im September 2014 zu einem überproportional guten Wahlergebnis von 38% in unserer Region beigetragen. In allen Industrieregionen Brandenburgs hat die SPD wegen ihrer klaren positiven Haltung zur Industrie überdurchschnittlich gute Ergebnisse erreicht.
Auf Deine Unterstützung zählend, dass dieses Eckpunktepapier, mit den für uns und die gesamte industriellen Entwicklung unserer Region dramatischen Auswirkungen so nicht realisiert wird, verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
Dirk Süßmilch Monika Wagschal Klaus Grüneberg
Vorsitzender stellv. Vorsitzende stellv. Vorsitzender